Einleitung
Insuffizienz bezeichnet in der Medizin die eingeschränkte Funktionsfähigkeit eines Organs oder Gewebes. Besonders häufig ist die Rede von der venösen Insuffizienz, einer Erkrankung der Venen, bei der der Rücktransport des Blutes zum Herzen gestört ist. Diese Störung kann akut oder chronisch auftreten und unterschiedliche Ursachen sowie Krankheitsbilder aufweisen.
Besonders die chronisch venöse Insuffizienz (CVI) ist weit verbreitet und erfordert häufig eine gezielte Behandlung durch Spezialisten der Gefäßchirurgie. Am Diakonie Klinikum Jung-Stilling werden Insuffizienzen von Chefarzt Dr. med. Ahmed Koshty und seinem Team behandelt. Welche Formen der Insuffizienz werden unterschieden? In welche Stadien werden sie eingeteilt? Welche Behandlungsoptionen gibt es und was können Sie als Patientinnen und Patienten selbst tun, um einer Insuffizienz vorzubeugen oder eine Behandlung zu unterstützen?
Klassifikation
Die venöse Insuffizienz kann in akuter oder chronischer Form auftreten:
- Akute venöse Insuffizienz: Diese entsteht meist durch eine plötzliche Blockade des Blutflusses, etwa durch eine tiefe Venenthrombose (TVT).
- Chronisch venöse Insuffizienz (CVI): Diese Form entwickelt sich oft schleichend über Jahre hinweg und ist häufig die Folge von:
- Funktionsstörungen der Venenklappen, die den Rückfluss des Blutes verhindern.
- Krampfadern (Varikose), die den Klappenmechanismus beeinträchtigen.
- Frühere Venenthrombosen, die zu Narbenbildung und langfristigen Schäden führen.
- Genetischer Veranlagung, wenn Venenerkrankungen in der Familie gehäuft auftreten.
- Ungünstigem Lebensstil wie Bewegungsmangel, langem Sitzen oder Stehen sowie Übergewicht.
Anatomie der Venen
Das venöse System des Körpers besteht aus tiefen und oberflächlichen Venen, die durch Perforansvenen miteinander verbunden sind. Venenklappen spielen dabei eine entscheidende Rolle: Sie sorgen dafür, dass das Blut entgegen der Schwerkraft in Richtung des Herzens transportiert wird. Unterstützt wird dieser Mechanismus durch die sogenannte Muskelpumpe, bei der die Muskeln der Beine während der Bewegung Druck auf die Venen ausüben und den Blutfluss fördern. Ist dieser Mechanismus wie bei einer venösen Insuffizienz gestört, kann es zu einer Ansammlung von Blut in den Beinen kommen, was die Beschwerden verursacht.
Stadien der chronisch venösen Insuffizienz (CVI)
Die chronisch venöse Insuffizienz wird in verschiedene Stadien eingeteilt, um den Schweregrad der Erkrankung zu klassifizieren. Die CEAP-Klassifikation ist hierbei international anerkannt:
- C0: Keine sichtbaren oder tastbaren Zeichen einer Venenerkrankung.
- C1: Auftreten von Besenreisern oder retikulären Venen.
- C2: Sichtbare Krampfadern (Varizen).
- C3: Schwellungen (Ödeme) der Beine.
- C4: Hautveränderungen wie Pigmentierungen oder Ekzeme.
- C5: Abgeheilte Ulzera (Geschwüre).
- C6: Aktive, offene Ulzera.
Diese Einteilung hilft dabei, die richtige Behandlungsmethode auszuwählen und den Verlauf der Erkrankung zu dokumentieren.
Komplikationen
Wird eine venöse Insuffizienz nicht rechtzeitig behandelt, können schwerwiegende Komplikationen auftreten. Eine der häufigsten Folgen ist das Ulcus cruris, ein offenes Bein, das nur schwer heilt und oft von Entzündungen begleitet wird. Ebenso können Thrombosen entstehen, bei denen sich Blutgerinnsel bilden und den Blutfluss blockieren. In schweren Fällen kann eine tiefe Venenthrombose (TVT) zu einer lebensgefährlichen Lungenembolie führen, wenn sich ein Gerinnsel löst und die Lunge erreicht. Langfristig kann die venöse Insuffizienz die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und zu chronischen Schmerzen führen.
Symptome
Betroffene leiden häufig unter einem Schweregefühl und Müdigkeit in den Beinen. Im weiteren Verlauf können Schwellungen, Schmerzen oder Hautveränderungen auftreten. Besonders auffällig sind Verfärbungen oder offene Stellen, die nur schwer heilen. Betroffen ist häufig der Bereich am Knöchel.
Diagnostik
Eine exakte Diagnose in der Gefäßchirurgie Siegen ist entscheidend, um die passende Therapie einzuleiten. Moderne Methoden wie die Duplexsonographie stellen die Venen und die Klappenfunktion exakt dar und lassen Rückschlüsse auf Venenerkrankungen zu. In bestimmten Fällen wird auch eine Phlebographie eingesetzt, bei der die Venenstrukturen mittels Kontrastmittel untersucht werden. Dabei wird mithilfe einer kleinen Injektionskanüle die Venenfunktion von innen heraus untersucht. Zudem kommen bildgebende Verfahren wie Venographie oder Magnetresonanzvenographie (MRV) zum Einsatz.
Therapie
Die Gefäßchirurgie entwickelt sich stetig weiter, um Betroffenen schonendere und effektivere Therapien zu bieten. Minimalinvasive Verfahren wie die endovenöse Lasertherapie oder die Radiowellentherapie sind mittlerweile etablierte Methoden. Auch robotergestützte Eingriffe wie im Hybrid-OP am Klinikum Jung-Stilling in Siegen halten Einzug in die moderne Gefäßchirurgie und verhelfen zu präziseren Behandlungen. Diese modernen Behandlungsmethoden tragen dazu bei, die Belastung für die Patientinnen und Patienten zu minimieren und gleichzeitig die Erfolgsaussichten der Therapie zu verbessern.
Die Therapie der venösen Insuffizienz richtet sich nach dem Schweregrad und den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten. Konservative Maßnahmen wie das Tragen von Kompressionsstrümpfen und gezielte Veränderungen des Lebensstils können bereits deutliche Linderung bringen. Medikamente wie Venentonika oder entzündungshemmende Mittel werden ergänzend eingesetzt. Zu den interventionellen Verfahren zur Behandlung von chronisch venösen Insuffizienzen gehören die
- Sklerotherapie: Bei dieser Methode wird ein Verödungsmittel in die betroffenen Venen gespritzt, das die Venenwände miteinander verklebt. So werden die erkrankten Venen verschlossen und das Blut kann über gesunde Venen umgeleitet werden. Die Sklerotherapie eignet sich besonders für kleinere Krampfadern oder Besenreiser.
- Endovenöse Ablation: Diese minimalinvasive Technik umfasst Verfahren wie die Lasertherapie oder die Radiowellentherapie. Über einen kleinen Katheter wird Energie an die Innenwand der Vene abgegeben, wodurch die Vene schrumpft und sich verschließt. Dieser Eingriff erfolgt in der Regel ambulant und erfordert nur eine lokale Betäubung.
- Venenstripping: Dieses klassische operative Verfahren wird angewendet, wenn größere Krampfadern behandelt werden müssen. Dabei wird die erkrankte Vene durch kleine Schnitte entfernt. Obwohl Venenstripping invasiver ist, bleibt es in bestimmten Fällen eine wichtige Behandlungsoption.
Für fortgeschrittene Fälle können auch komplexere operative Eingriffe notwendig werden, etwa das Entfernen geschädigter Venenabschnitte oder die Anlage eines Bypasses.
Prävention
Ein gesunder Lebensstil spielt eine zentrale Rolle bei der Vorbeugung venöser Insuffizienzen. Regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und die Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen und Übergewicht können das Risiko erheblich senken. Frühzeitig erkannt und behandelt, lassen sich die Beschwerden oft gut kontrollieren und schwerwiegende Komplikationen können vermieden werden.
„In der Abteilung für Gefäßchirurgie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling stehen Ihnen Spezialisten zur Seite, die mit moderner Technik eine individuelle und patientenorientierte Behandlung bieten. Gesunde Venen sind der Schlüssel zu einem aktiven und beschwerdefreien Leben.“